Samstag, 17. November 2012

straflos 7, Kampfmittel Hungerstreik

Kritische Anmerkungen 

zum Kampfmittel Hungerstreik

Auf die gesundheitlichen Gefahren des Hungerstreiks muß ich hier nicht nochmal eingehen. Allerdings glaube ich, dass dies denen, die einen wirklichen Hungerstreik beginnen, auch durchaus bewußt ist. WIRKLICHER Hungerstreik? Naja, nicht zuletzt aufgrund Erfahrungen unterscheide ich schon zwischen einem unbefristeten Hungerstreik, der zumindest mit der Absicht begonnen wird, ihn notfalls bis zum Ende durchzuziehen und den auf ein, zwei Wochen befristeten Protesthungerstreiks. Bei letzteren frage ich mich, warum mensch für solch eine Protestaktion das Kampfmittel Hungerstreik benutzt und es damit auch entwertet. Warum sagt mensch für eine solch befristete Protestaktion nicht einfach: Wir verweigern jetzt den Knastfraß. Wenn Ihr dies zusammen mit möglichst vielen anderen auch unfristet macht, es mit der Forderung nach Selbstverpflegung und natürlich mit der Forderung nach dem dafür notwendigen Einkaufsgeld verbindet, wird daraus ein politischer Kampf.

Ich werd mich im Folgenden aber auf den unbefristeten Hungerstreik konzentrieren, den manche auch als Todesfasten bezeichnen. Für mich ist das ein furchtbarer Begriff, der bei mir religiöse Assoziationen hervorruft. Also ich war selbst sechseinhalb Wochen im Hungerstreik und hab dies nicht als „Fasten“, sondern als Kampf um Leben oder Tod empfunden.
Aber widmen wir uns erstmal der Frage, wer eigentlich der Adressat des Hungerstreiks ist. Dies kann doch nur eine, wie auch immer geartete, kritische Öffentlichkeit sein. So nach dem Motto: Ihr tut zu wenig, also setz ich/setzen wir Euch mal unter Druck, damit Ihr Euch endlich bewegt. Dass sich die Knastbetreiber durch die Drohung mit unserem eigenen Tod oder gesundheitlichen Schäden unter Druck setzen ließen, erscheint mir als unrealistisch.. Das würde ja voraussetzen, dass denen irgendwas an unserer Person, unserem Leben und unserer Gesundheit liegt. Dieses Knastsystem, das Gefangene in den Selbstmord treibt, das notwendige medizinische Behandlungen verweigert, das Schwerstkranke bis zum Tode einsperrt – dieses Knastsystem soll sich jetzt durch unseren Hungerstreik moralisch unter Druck setzen lassen? Mit Verlaub, ich halte dies für ziemlich naiv gedacht.

Ein Wort noch zu den gesundheitlichen Gefahren des Hungerstreiks und den Tipps zur Vermeidung. Also die Empfehlung auf Suppen und Fruchtsäfte zurückzugreifen ist zwar gut gemeint, aber für die „harten“ Hungerstreikenden unbrauchbar. Alles ausser Mineralwasser ist ebenso Tabu, wie Besuche beim Knastarzt. Sich regelmäßig wiegen und den Blutdruck messen zu lassen, dient weniger unserer Gesundheit, als deren Kontrolle über unseren HS. Sie können so leichter einschätzen, wann der Zeitpunkt für eine mögliche Zwangsernährung sei. Ausreichend Wasser trinken ist natürlich enorm wichtig. In früheren Zeiten, haben die Knäste von sich aus hungerstreikenden Gefangenen das Wasser entzogen, weil Du das nur ein paar Tage durchhalten kannst.
Wichtiger ist mir folgendes: Wenn Du das Gefühl hast, dass der Hungerstreik nicht weiterführt, Du ihn eigentlich am liebsten abbrechen würdest, dann brich ihn ab. Scheiß drauf, was die draußen oder die Knastbetreiber möglicherweise denken. Es ist kein Zeichen von Schwäche einen Hungerstreik abzubrechen. Es ist eher ein Zeichen von Schwäche ihn ohne innere Überzeugung aus Angst vor „Gesichtsverlust“ fortzusetzen.
                                                                                               Gerhard
                                                                                               Autonomes Knastprojekt
in straflos 7
Herbst 2012






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