Zu früh gefreut
Als vor einigen Wochen die Nachricht über die Medien ging, dass die Justizministerin als Reaktion auf das Straßburger Urteil die „nachträgliche Sicherungsverwahrung abschaffen“ und „keine SV mehr bei Eigentumsdelikten“ verhängen will, klang dies gar nicht so schlecht. Als jetzt vor kurzem die konkreten Pläne bekanntgegeben wurden, kehrte schnell Ernüchterung ein.„Keine SV mehr für Eigentumsdelikte“. Gemeint sind hier die kleinen Klauer, Opferstockräuber, oder eben Toni mit seinen Pfarrhauseinbrüchen. Mensch muss nicht grundsätzlich gegen Knäste sein, um sich zu fragen, warum die JEMALS in der SV gelandet sind. Bankraub dagegen gilt bei den Herrschenden nicht als Eigentumsdelikt, sondern als Gewaltverbrechen. Bankräuber landen also weiter in der SV. Trotzdem, wir freuen uns für die Kleinganoven, dass ihnen nun wengstens die SV erspart bleibt.
Damit sind wir aber mit den minimalen Verbesserungen schon am Ende. Was folgt, sind Verschärfungen und Etikettenschwindel.
Der Hammer ist sicherlich, dass SV nun auch schon bei ErsttäterInnen verhängt werden kann. Das haben sich ja noch nicht mal die Nazis getraut! Kritische Strafrechtler rechnen damit, dass wir in Zukunft nicht mehr von Hunderten, sondern von Tausenden Sicherungsverwahrter ausgehen müssen.
Die „Abschaffung der nachträglichen Sicherungsverwahrung“. Das klingt erst mal ganz gut. Bei näherem Hinsehen entdeckt mensch aber sehr schnell den Pferdefuß: Vorbehalt schon bei der Verurteilung. Wer sich ein wenig mit der Praxis deutscher Gerichte beschäftigt hat, braucht wenig Phantasie, um sich auszumalen, was da passieren wird. Ähnlich, wie bei den GutachterInnen werden die meisten RichterInnen sehr restriktiv handeln. So nach dem Motto: Lieber 10 Ungefährliche wegsperren, als einen Gefährlichen rauslassen. Es wird eine wahre Flut von Prozessen geben, in denen dieser Vorbehalt ausgesprochen wird. Für die Gefangenenen mit diesem Vorbehalt wird es sehr schwierig sein, jemals Ausgang und Urlaub zu kriegen oder vorzeitig entlassen zu werden. Wenn die Anstalt sich dann entschließt die nachträgliche SV zu beantragen, wird dies wesentlich leichter durchzusetzen sein als heute. Die Richter bei der ursprünglichen Verhandlung werden also häufig diesen Vorbehalt aussprechen, um sich im Zweifel selbst abzusichern. Die Richter, die dann tatsächlich über die nachträgliche SV entscheiden, werden sich dann aber auf diesen Vorbehalt berufen. So nach dem Motto: Wenn der Kollege damals das schon so gesehen hat .... Es ist also damit zu rechnen, dass in Zukunft wesentlich mehr nachträgliche Sicherungsverwahrung verhängt wird.
Und schließlich sollen die Betroffenen in separaten Knästen eingesperrt werden, die dann aber nicht mehr Knäste heißen. Über konkrete Verbesserungen der Lebensbedingungen z.B. Abschaffung der Zensur, freier Zugang zu Telefon und Computer usw. war bisher nichts zu hören. Allerdings soll es dort mehr Therapie geben. Wir haben nichts gegen mehr TherapieANGEBOTE. Zwangstherapien allerdings lehnen wir ab. Sie bringen nicht nur nix, sondern ihre Ablehnung liefert den Vorwand für weitere Sanktionen und sie wird benutzt, um möglicherweise lebenslanges Wegsperren zu legitimieren. Einen nützlichen Nebeneffekt haben diese separaten Knäste für die Herrschenden. Bislang kriegen viele Mitgefangene die Lebensbedingungen der Sicherungsverwahrten mit. So gelangen zumindest einige Informationen an die viel zu kleine kritische Öffentlichkeit draußen. Es ist zu befürchten, dass sich über die neuen SV-Knäste ein Schleier des Vergessens legen wird, wie dies heute schon in der Forensik der Fall ist.
/GL
aus straflos 3
Herbst 2010
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