Sonntag, 18. November 2012

Nachtrag straflos 3, Gefährliche Sicherungsverwahrung

Gefährliche

Sicherungsverwahrung

Die Diskussion über die Sicherungsverwahrung verläuft in den üblichen Bahnen. Die KritikerInnen argumentieren moralisch mit einem Verstoß gegen die Menschenrechte. Die reaktionären BefürworterInnen antworten, daß Menschenrechte zwar gut und schön seien, aber die Sicherheit vorgehe. Ich persönlich glaube nicht, daß sich Reaktionäre mit Menschenrechtsargumenten beeindrucken lassen. Deshalb will ich mich hier mit ihrer Kernthese, daß Sicherungsverwahrung mehr Sicherheit für die Bevölkerung schaffe, auseinandersetzen. Mit dieser These finden die Reaktionäre ja Anklang bei großen Teilen der Bevölkerung.


                                                                           ©Bernd Sterzl/pixelio.de
Leider, leider ist diese These total falsch. Die Sicherungsverwahrung fordert mehr Opfer (und damit meine ich jetzt nicht mal die betroffenen Gefangenen), als sie möglicherweise verhindert. Wie die Sicherungsverwahrung in der Praxis wirkt, will ich Euch jetzt mal am Beispiel der Geiselnahme von Gladbeck erklären.

Da überfallen also zwei Leute eine Bank. Das Ganze geht schief. Die Bullen umstellen die Bank. Damit wäre die Angelegenheit eigentlich beendet. Bankräuber sind ja in der Regel nicht blöd. Jeder weiß, hier kommen wir nicht mehr raus. Für Bankraub drohen bis zu 15 Jahren Knast. Tja, dumm gelaufen. Die Beiden geben also auf. So wäre die Sache vermutlich gelaufen, wenn es nicht die Sicherungsverwahrung gäbe.
Für die Beiden sieht die Rechnung nämlich ganz anders aus. Beide sind vorbestraft. Egal, was sie jetzt tun, sie kriegen Sicherungverwahrung. Kommen also vermutlich nie mehr raus. Was ist das eigentlich für ein Strafrecht, bei dem es irgendwann egal ist, ob du die Knarre wegschmeißt und aufgibst - oder ein Blutbad anrichtest?  Ist es angesichts dieser absurden Situation verwunderlich, daß die Beiden sich dazu entschlossen nicht aufzugeben?
Was dann folgte - Geiselnahme, Tote und Verletzte - geht nach meiner festen Überzeugung voll auf das Konto der Sicherungsverwahrung. Was ist das eigentlich für ein System, in dem Menschen für einen Bankraub genauso lang oder länger eingesperrt werden, als für einen Mord? Selbst Menschen, die nicht so wie wir Strafe und Einsperren grundsätzlich in Frage stellen, werden dies als absurd empfinden.
Wieviele Opfer von sexuellem Mißbrauch werden eigentlich anschließend deshalb getötet, weil durch die SV die Strafe für den Mißbrauch genauso hoch ist, wie für den Mord?
An dieser Stelle möchte ich mich bei allen entschuldigen, die ebenso wie ich, diese Knastgesellschaft grundsätzlich ablehnen. Es ist schon eine geistige Zumutung sich mit den Theorien reaktionärer PolitikerInnen und ihre AnhängerInnen auseinander zu setzen. Andrerseits ist der Glaube an die abschreckende Wirkung immer höherer Strafen so weit verbreitet, daß wir ihn kaum ignorieren können.

Oftmals ist es ja so, daß Menschen mit Psychosen aufgrund einer falschen Ausgangsthese dann eine scheinbar logische Theorie entwickeln. Bei den AnhängerInnen der Abschreckungsphilosophie ist dies anders. Sie haben nicht nur die falsche Ausgangsthese, sondern sie entwickeln auch noch eine Praxis, in der sie durch die Sicherungsverwahrung ihre eigene Abschreckungsphilosophie ad absurdum führen. Ich kann mich noch an Häuserwände erinnern, an denen stand: Alle Macht den Doofen! Diese Forderung ist offensichtlich erfüllt.


                                                                                                                                              Gerhard Linner
                                                                                                                         aus straflos 3, Herbst 2010

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