Sonntag, 18. November 2012

Nachtrag straflos 3, Abschaffung von Knästen?

Abschaffung von Knästen?

Z.B. Februar 07 machten zwei aus Strafhaft entlassene Männer Schlagzeilen: Der eine hatte in seinem 40jährigen Leben zwei Menschen getötet. Der andere, 42 Jahre alt, Kinder vergewaltigt. Beide saßen in Ostdeutschland in Haft, gegen beide konnte aus formaljuristischen Gründen keine Sicherungsverwahrung (SV) verhängt werden. Und da sie laut Gefängnisleitung hochgradig gefährlich sein sollen, überwacht man sie Tag und Nacht, was angeblich bis zu 5000 Euro pro Tag koste. Selbst die taz sprang auf den panikschürenden Zug auf und titelte im Innenteil: „Sehr gefährlicher Vergewaltiger frei – Er hat neun Mädchen gequält. Jetzt kommt er frei, weil die Sicherungsverwahrung erst später eingeführt wurde.“ (taz vom 05. Februar 2007)

Wer für eine Abschaffung von Knästen streitet, der bekommt Fälle wie die oben erwähnten vorgehalten, verbunden mit der empörten Frage: „Willst Du SOLCHE Leute etwa auf die Menschheit loslassen?“ Solch eine Reaktion hört man vermehrt auch im linken politischen Spektrum. Trotz des seit geraumer Zeit zu verzeichnenden Rückgangs schwerer Gewaltstraftaten steigt die Zahl der Inhaftierten kontinuierlich. Und selbst in der sich doch als emanzipatorisch definierenden Linken gibt es die RuferInnen: „Wegsperren – am besten für immer.“ Politisch korrekt wird dann ergänzt, dies gelte selbstredend nur für Nazis, Kinderschänder, Vergewaltiger, Mörder, … Der Wunsch nach Bestrafung, Rache oder ähnlichem steckt vielleicht in allen von uns, aber anstatt aufgeklärt und eigenverantwortlich damit umzugehen, wird sich an einigen wenigen Extremfällen abgearbeitet.

Kaum jemand käme auf die Idee nicht mehr Auto zu fahren, obwohl das Risiko im Straßenverkehr zu Tode zu kommen zigfach größer ist, als ermordet zu werden. Niemand fordert wegen der Toten auf den Straßen die Abschaffung der Autos, Busse und LKWs. So wie die Verkehrstoten Extremfälle im Straßenverkehr darstellen, verhält es sich auch mit den Tötungsdelikten bezogen auf die Gesamtheit aller Straftaten.
Im Verlaufe der Aufklärung wurden Körper- und Todesstrafen zunehmend durch das Einsperren der Delinquenten ersetzt. Dies galt als die humanere Umgehensweise mit Menschen, die gesellschaftliche Normen übertraten. Auch heute gilt das „Wegschließen“ als im Grunde irgendwie akzeptabel. Zumal jederman (dank BILD) weiß: In den Knästen geht es zu wie in Hotels. Dass gerade lange Haft eine subtile Form der Todesstrafe darstellt, dies will vielen nicht einleuchten. Der Mensch hinter Mauern stirbt einen langsamen seelischen und oft auch körperlichen Tod. Die radikale Todesstrafe durch Fallbeil oder Strick wurde (weitestgehend) ersetzt durch das „Einfrieren“ des/der Verurteilten hinter Gittern und Stacheldraht. Zur moralischen Rechtfertigung wird dann auf Fälle wie von Uwe K. und Frank O. – die eingangs skizziert wurden – Bezug genommen.
Ein echter Ausgleich zwischen Opfer und Täter (um diese beiden Begriffe einmal zu verwenden) kann und wird auf diese Weise nicht zustande kommen. In der kapitalistischen Logik hat alles seinen Preis: im Falle des Deutsche-Bank-Managers Ackermann kostete die Verfahrenseinstellung ihn ein paar hunderttausend Euro. Im Falle Peter Hartz zwei Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung. Und in vielen anderen Fällen 2, 3, 5, auch 10, 20, 30, 40 Jahre Haft. Weder Geldstrafe noch Haftstrafe helfen jedoch den Opfern wirklich!

Täter wie Frank O. und Uwe K. sind eben nicht der Regelfall. Wer für Menschen wie sie (nachträglich) SV fordert, muss sich im Klaren darüber sein, damit auch zig Menschen die Freiheit zu nehmen, die gerade NICHT in dieser Form straffällig wurden. (Beispielhaft seien Heinz S. und Ralf Sch. erwähnt. Letzterer seit nunmehr 7 Jahren in SV wegen Einbrüchen mit einem Schaden von ca. 20.000 Euro, keinerlei Personenschäden. Und Heinz S., auch ein Einbrecher, ebenfalls keine Personenschäden. Da er 65 Jahre alt ist, nun schon seit 10 Jahren in Haft – Strafhaft – sitzt, kann er sich ausmalen, was ihn in der SV erwartet, wenn er sich die Situation des erwähnten Ralf vor Augen führt).

Ich behaupte nicht, dass es eine einfache Lösung gibt. Knäste jedenfalls sind KEINE Lösung. Für deren Abschaffung muss weiterhin gekämpft werden. Von innen heraus, d.h. seitens der Inhaftierten. Und auch von draußen. Denn ohne moralische – wie auch tatkräftige Hilfe von draußen – sind jene, die hinter Gittern sitzen, letztlich verloren.
                                                          Thomas Meyer-Falk, z.Zt. Knast Bruchsal
                                                          www.freedom-for-thomas.de

                                                                             aus straflos 3, Herbst 2010

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