Montag, 29. März 2010

straflos 2, "Geborene Verbrecher"

... das Allerletzte ...
So neu ist das Ganze nicht. Schon seit langem versuchen sogenannte Wissenschaftler Kriminalität biologisch zu erklären. Der Italienier Lomboso versuchte sich zunächst an Äußerlichkeiten. So galt bei ihm beispielsweise dichter Haarwuchs als Kennzeichen von „Verbrechertypen“. Aus dieser Zeit stammt auch der Begriff der sogenannten „Verbrechervisage“. Seine Nachfolger waren zeitweise der Ansicht, dass „Verbrechergehirne“ leichter seien, als „normale“ Gehirne. Als sich dann herausstellte, daß eine Mörderin das schwerste Gehirn einer Frau hatte, wurde auch diese Theorie obsolet. Man versuchte sich an Gehirnvermessungen und ähnlichem. In Wien existiert ein makabres Kriminalmuseum, in dem die Schädel von Hingerichteten aufbewahrt werden. Die Schädel sind überzogen mit Linien, auf denen Lombosos Erben einzeichneten, wo nach ihrer Meinung, „das Böse“ im Schädel sitzt.
Die Nazizeit war dann für diese „Wissenschaftler“ ein wahres Paradies. Schädel von Hingerichteten gab es ja genug und besonders „interessante Objekte“ ließ man einfach deshalb töten, um ihre Schädel untersuchen zu können.
 Nun könnten wir das Ganze ja als makabre Geschichte aus dunklen Zeiten betrachten. Leider, leider erlebt diese Suche nach dem sogenannten „Verbrechergehirn“ wieder eine Renaissance. Die neuen Propagandisten des Versuchs, Kriminalität biologisch zu erklären, bedienen sich natürlich auch der neuen medizinischen Möglichkeiten. Mehr oder weniger ist das Ganze eine Kombination von Lügendetektortest und Kernspintomographie. Es begann mit Versuchen an jungen Ratten. Diese wurden als Babys von der Gruppe getrennt und isoliert. Wen wundert es, dass sie sich später anders verhalten haben. Welche Auswirkungen Isolation hat, hätte ich diesen „Wissenschaftlern“ auch vorher sagen können. Anschließend wurden die Gehirne dieser Ratten in dünne Streifen geschnitten und man stellte fest, dass manche Gehirnbereiche stärker ausgeprägt waren, als „normal“. Dass Isolation oder Misshandlungen Spuren im Gehirn hinterlassen, mag auch für uns noch nachvollziehbar sein. Es läßt ja auch noch Handlungsmöglichkeiten zu. Wenn diese Gesellschaft anders mit Kindern umgehen würde, ließen sich diese Schäden ja vermeiden. Hätten in dem konkreten Versuchsfall die Forscher die Rattenbabys nicht isoliert, hätten sich diese ganz normal entwickelt. Aber - eine Theorie, welche die Sozialisation als Ursache abweichenden Verhaltens sieht, ist gefährlich für das gesellschaftliche System. Macht es doch deutlich, dass einiges in diesem System nicht stimmt und geändert werden müsste. Also gehen diese „Wissenschaftler“ einen Schritt weiter. Sie sind nicht so dumm, die Ursache Sozialisation total zu leugnen. Aber - sie erweitern diese Ursache um genetische Komponente und erklären somit die Kriminalität zumindest teilweise zur Erbkrankheit. Damit kommen sie schon nahe an die „Erbgesundheitslehre“ ran. Damit besteht für die Mehrheitsgesellschaft keine Notwendigkeit mehr sich zu ändern. Es reicht dann, „die Kranken“ aus dem Verkehr zu ziehen. Die Ausgangsthese dieser Wissenschaftler lautet kurz gesagt so: Der Mensch ist eine biochemische Maschine, die vom Gehirn praktisch „fremdgesteuert“ wird. Er könne sich deshalb nicht frei entscheiden. So etwas wir Schuld könne deshalb auch nicht existieren. Kriminalität sei deshalb mehr oder weniger eine Funktionsstörung im Gehirn. Täter könnten deshalb nicht bestraft werden, da sie ja nicht anders handeln konnten. Sie müssten aber trotzdem weggesperrt werden, weil sie eben ein „krankes Gehirn“ haben. In den USA, der Schweiz und auch in Deutschland wird intensiv an dieser Theorie geforscht. In Deutschland ist die JVA Regensburg (Bayern) besonders aktiv in dieser Richtung. Für Gefangene, die sich bereits in diesen „Forschungseinrichtungen“ befinden, bedeutet dies, daß Hautwiderstand und Hirnstrommessungen über die Entlassung entscheiden und nicht mehr Gutachter. Die beteiligten „Forscher“ sagen selbst, daß sie erst am Anfang stehen und noch etwa 10 Jahre brauchen. Die Perspektiven, die sich aus ihrer Sicht dann auftun, stellen schlichtweg ein Horrorszenario dar. Natürlich soll der „Gehirn-TÜV“ zunächst mal die Entlassungsgutachten ersetzen. In den USA wird daran gedacht, ALLE Jugendlichen in einem bestimmten Alter entsprechend zu untersuchen. Bei wem dann ein sogenanntes „Verbrechergehirn“ festgestellt wird, der/die kann sofort weggesperrt werden. Eine Straftat ist dabei gar nicht mehr notwendig. Die Betreffenden werden ja nicht als „Verbrecher“, sondern als Geisteskranke weggesperrt. In Deutschland sind die Protagonisten noch etwas zurückhaltender. Hier wird zunächst daran gedacht, alle Jugendlichen, die zum ersten Mal straffällig werden, entsprechend zu untersuchen. Wer wegen Ladendiebstahl einfährt, muss dann damit rechnen, nie mehr rauszukommen. Die „Forscher“ schätzen, dass etwa 5% der Bevölkerung ein sog. „Verbrechergehirn“ haben. In Deutschland wären das etwa 4 Millionen. Da müssen dann noch viele Privatknäste gebaut werden. Bedenken gegen diese Praktiken stossen bei den beteiligten „Wissenschaftlern“ auf wenig Verständnis. So meinte der Bremer Neurowissenschaftler Roth in einem Phoenix-Interview, dass er überhaupt nicht verstehen könne, warum sich jemand darüber aufregt. Schließlich würden ja auch Menschen mit ansteckenden Krankheit notfalls gegen ihren Willen weggesperrt.
Gerhard, AKP
  Text aus STRAFLOS 02 vom März 2010

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