(UN 6, Text 7)
Aktuell wird - mal wieder - für eine Verschärfung des Instituts der Sicherungsverwahrung
(SV) plädiert, allen voran von Seiten der Bundesjustizministerin Zypries, seitens Bayern, aber auch des baden-württembergischen Justizministers Goll.
Die SV wurde 1933 von den Nationalsozialisten in das Strafgesetzbuch zwecks "Unschädlichmachung" von sogenannten "Gewohnheitsverbrechern" aufgenommen. Nach 1949 schaffte die DDR die SV ab, da sie nationalsozialistischen Ursprungs sei, wohingegen die BRD solche Bedenken nicht hatte und viele hundert Menschen in SV sperrte, sofern der Angeklagte einen "Hang zu erheblichen Straftaten"
(§ 66 Absatz 1 Ziffer 3 Strafgesetzbuch) hatte, aufgrund dessen er "für die Allgemeinheit gefährlich" war. Die Zahl der Verwahrten sank Anfang der 90'er Jahre auf unter 200, um seitdem Jahr für Jahr anzusteigen, in Kürze wird die Anzahl der Verwahrten die 400'er-Marke übersteigen, d.h. die Zahl hat sich verdoppelt. Und dies, obwohl die Kriminalitätsstatistik einen Rückgang der Kriminalität belegt.
Nunmehr sollen auch Jugendliche mit der
(nachträglichen) SV Bekanntschaft machen. Wer nach Ansicht Zypries' 7 Jahre Jugendstrafe verbüßt hat
(Bayern und die CDU fordern die Grenze bei 5 Jahren Jugendstrafe zu ziehen) und als "gefährlich" gilt, soll nachträglich von einem Gericht zu lebenslanger
(!) SV verurteilt werden können, ja verurteilt werden müssen.
Eine Stimme aus der Stuttgarter Provinz, der FDP-Minister Goll, gab in einem Interview mit dem SWR
(27.2.2007) zum Besten, er sperre lieber jemanden ein, der fälschlicherweise für gefährlich gehalten werde, als jemanden, der tatsächlich rückfällig wird, laufen zu lassen. Denn, so der Minister weiter, schließlich lebten wir in einem Rechtsstaat. In einem solchen sei es nicht nachvollziehbar, gefährliche Gefangene auf freien Fuß zu setzen. Auf die Frage des Journalisten, ob ihm denn aus Baden-Württemberg Fälle von Jugendlichen, die nach langer Strafe freikamen, um dann gravierend rückfällig zu werden, bekannt seien, flüchtete Goll sich in die Aussage, es habe solche "Einzelfälle bestimmt gegeben", konnte aber keinen einzigen anführen.
Die Rechtssprechung nimmt einen schweren wirtschaftlichen Schaden, der bei einem "Hang zur Begehung von Straftaten" die lebenslange SV rechtfertige schon bei Beträgen von 2000 bis 5000 Euro an, z.b. bei serienweisen KFZ-Einbrüchen, bei stark wertmindernder Benutzung von betrügerisch erlangten Kraftfahrzeugen u.ä.
Gutachter entscheiden letztlich, ob ein Mensch als gefährlich oder ungefährlich eingeschätzt wird, und die Richter übernehmen deren Ergebnisse in aller Regel kritiklos. Erst vor wenigen Wochen las ich ein solches Prognosegutachten, welches ein Psychater über einen wegen Einbrüchen nun seit acht Jahren in SV sitzenden Verwahrten abgegeben hatte. Der Herr Sachverständige mokierte sich darüber, dass der Proband sich nicht ordentlich von ihm verabschiedet, mithin die üblichen Regeln der Höflichkeit verletzt habe. Welche Diagnoseinstrumente oder Kriterien der Gutachter einsetzte, blieb ebenso schleierhaft. Zugegebenermaßen machte es der Gefangene dem Gutachter nicht gerade leicht; vielmehr konfrontierte dieser den Psychiater mit dem Vorwurf, falsche Gutachten abzugeben
(also Inhaftierten z.B. zu Unrecht eine Gefährlichkeit zu attestieren). Der Sachverständige nahm, dies ließ sich seinen Ausführungen ohne weiteres entnehmen, dies recht persönlich.
Sicher gibt es auch professioneller arbeitende Gutachter, aber letztlich betreiben sie Kaffeesatzleserei auf akademischem Niveau, dann das künftige Verhalten eines Menschen aufgrund seines langjährigen Lebens in Haft in die Zukunft zu extrapolieren, ist schlechterdings nicht möglich.
Wie wollen Gutachter also einem jungen Menschen, der einige Jahre in einer Jugendstrafanstalt einsaß, ernsthaft bescheinigen, er sei allgemeingefährlich und müsse deshalb lebenslang in SV?
Der Deutsche Richterbund, sonst nicht für laute Kritik bekannt
(dessen vormaliger Vorsitzender und heutige sächsische Justizminister Mackenroth äußerte beispielsweise Verständnis für den Folter einsetzenden stv. Polizeipräsidenten Daschner, Frankfurt a. Main), kommentierte die Forderungen der Bundesjustizministerin Zypries als "reinen Populismus"
(Interview im SWR vom 26.2.07).
Es ist jedoch absehbar, dass Zypries, Goll und Co. sich durchsetzen werden, mit der Folge noch ausgeprägterer Perspektivlosigkeit für die Inhaftierten. Denn schon jetzt wird enormer psychischer Druck auf diese mit der Drohung, man wäre ein Kandidat für die nachträgliche SV, ausgeübt. Die "Sicherheit" der Bevölkerung wird durch solche Gesetze kein Jota verbessert, aber es wird eine gesetzliche Grundlage geschaffen, um künftig jede mißliebige Person nach Gutdünken hinter Gefängnismauern verschwinden lassen zu können - rein RECHTSstaatlich natürlich.
Thomas Meyer-Falk,
c/o JVA - Z. 3117,
Schönbornstr. 32,
D-76646 Bruchsal
http://www.freedom-for-thomas.de
Unbequeme Nachrichten, Nr.6, Mitte 2007