(UN Nr.6., Text 8)
In der Presse wird gerne - unterstützt von Politikern - das Bild gezeichnet, in der Sicherheitsverwahrung
(SV) wären die "Gefährlichsten der Gefährlichen" untergebracht, zum Schutze der Gesellschaft von an Sodom und Gomorrha erinnernde Zustände. Eine kritische Reflexion des von den Nationalsozialisten 1933 in das Strafrecht aufgenommenen Instituts der SV, findet so gut wie nicht statt. Ganz offen sprach ein
(juristischer) Sachverständiger erst im März 2007 gegenüber dem Rechtsausschuss des deutschen Bundestages, im Rahmen geplanter
(und zwischenzeitlich beschlossener) Verschärfungen der SV-Gesetze von -Zitat- "Unschädlichmachung" von Verbrechern. Das ist die Diktion wie sie 1933 auch seitens der NS-Politiker gebraucht wurde.
Heute möchte ich gerne Ralf Schüler vorstellen
(er ist mit seiner Namensnennung einverstanden), nunmehr ununterbrochen 22 Jahre im Gefängnis, davon seit dem 1. April 1999 in SV. Geboren 1963, verbrachte er mehr als die Hälfte seines Lebens erst in Heimen und seit dem Jugendalter in Gefängnissen. Zuletzt wurde er 1994 vom Landgericht Mannheim wegen Einbruch-Diebstahls in 17 Fällen und wegen versuchten Diebstahls in 3 Fällen zu 5 Jahren Haft verurteilt, außerdem wurde die sich daran anschließende Unterbringung in der SV angeordnet.
Mit Beschluss vom 16.03.2007
(Az: 15 StVK 527/06 BR) lehnte das Landesgericht Karlsruhe die Freilassung von Herrn Schüler ab, da er erst langfristiger Therapie bedürfe. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, so die Richter lapidar, sei gewahrt. Anwaltlich "vertreten" wurde er von dem Bruchsaler Rechtsanwalt Jürgen Wedler; dieser hatte es nicht für notwendig erachtet, Herrn Schüler vor der mündlichen Anhörung im Gericht in der JVA zu besuchen. Vielmehr schrieb er ihm in einem knapp gehaltenen Brief, er - Schüler - solle ich melden, wenn er denn ein Gespräch wünsche.
Ein Pflichtverteidiger der sich schon so vorstellt, gibt sein Desinteresse deutlich zu erkennen und Ralf reagierte erst gar nicht auf das Anschreiben.
Schülers Strategie, mit der er hofft doch noch seine Freilassung zu erreichen besteht darin, Angehörige von Opfern von Sexualstraftaten
( bspw. Die Eltern von "Carolin" oder "Stefanie") anzuschreiben und darauf hinzuweisen, dass die Justiz mit Bedacht gefährliche Sexualtäter entlasse, um so Gesetzesverschärfungen leichter durchsetzen zu können, im Angesicht der Wirkmächtigkeit kindlicher Opfer. Mit der Folge, dass Menschen wie er selbst leichter, und vor allem dauerhaft, verwahrt werden können.
Er weist auch auf eine seiner Ansicht nach bestehende "Gutachterindustrie" hin: die Justiz finanziere psychiatrische Sachverständige, welche dann mit den sie beauftragenden Gerichten so eng kooperierten, dass keine Chance einer realistischen und objektiven Beurteilung bestehe, da die Gutachter ihre üppig sprudelnden Einkommensquellen nicht verlieren wollten.
Dies alles, so Schüler weiter, diene letztlich dem weiteren Ausbau der Gefängnisindustrie, d.h. trotz seit Jahren sinkender Kriminalitätsrate, eine Explosion der Gefangenenzahlen, ein Ausbau von Anstalten, zunehmend auch durch Privatisierungen
( z.B. die 2009 in Offenburg in Betrieb gehende neue JVA).
Unermüdlich schreibt er neben Opferangehörigen auch sonstige Privatpersonen und Einrichtungen wie Kindergärten an, in der Hoffung man werde seitens der Justiz seiner überdrüssig. Den Medien weist er eine erhebliche Mitschuld zu; diese berichte zwar exzessiv über spektakuläre Einzeltaten, aber warum berichte sie nicht auch darüber, dass so gut nie jemand der früher nach 10 Jahren SV entlassen wurde rückfällig wurde?
Dazu muss man wissen, dass gem. § 67 d StGB bis 1998 die SV - im Falle der ehemaligen Anordnung - auf 10 Jahre begrenzt war.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts, wie auch der Gutachter Dr. Schramm nahmen die Vorwürfe von Herrn Schüler ersichtlich übel. Der keine ganz vier Seiten umfassende Beschluss des Gerichts
( und davon muss man S. 1 mit dem großen Wappen des Landes und Namensnennung, sowie S. 2 mit Präliminarien abziehen; so dass faktisch die eigene Begründung des Gerichts ca. 1-DIN-A4 Seite beansprucht ) ist mit der Vokabel "dürftig" noch freundlich beschrieben.
Hier geht es um das Leben, die Freiheit eines wegen einiger Diebstähle inhaftierten Menschen, der nach 22 Jahren ununterbrochener Inhaftierung -zugegebenermaßen- verbittert ist. Dass er die letzten Einbruchdiebstähle Anfang der 90'er Jahre aus dem offenen Vollzug heraus begangen hat, nun ja ... aber dafür büßt er nun schon über 13 Jahre
(5 Jahre Freiheitsstrafe, 8 Jahre SV). Da er in seiner Jugendzeit mit ungeladener Waffe eine Bank überfiel, wird ihm wohl heute insoweit zum Verhängnis, als das er mit lebenslanger Verwahrung in der SV rechnen muss.
Wegen 17 Diebstählen lebenslange Haft - das ist die Realität in Deutschland im 21. Jahrhundert!
Unbequeme Nachrichten Nr.6, Mitte 2007
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