Montag, 2. Juli 2007

Klar-bashing - Neuer Volkssport!

Über den Umgang mit Christian Klar (RAF) (UN6, Text 3) "Was gleicht wohl auf Erden dem Jägervergnügen", so heißt es in "Der Freischütz" von Carl Maria von Weber; und (Menschen) Jäger in Politik und Medienwelt sind unterwegs. Seit einigen Tagen versuchen sich Politiker und Medien zu überbieten, wenn es darum geht, eine Freilassung, ja selbst die Gewährung von Vollzugslockerungen (wie Ausgang, Offener Vollzug, u.ä.), für den in der JVABruchsal inhaftierten Christian Klar zu be-, zu verhindern. Von BILD ("Christian Klar hetzt aus dem Knast") ist man nichts anderes gewohnt, auch "Die Zeit" (Ausgabe Nr. 10, 1. März 2007) diagnostiziert aus Hamburger Ferne, Klar sei weder einsichtig, noch habe er eine eindeutige Absage an Gewalt von sich hören lassen. Die Kampagne löste eine von ARD-report zur Enthüllung hochstilisierte Vorabmeldung über einen angeblich erst im Februar 2007 bekannt gewordenen Brief Christian Klars aus, obwohl diesen - es handelte sich um ein Grußwort an die im Januar 2007 stattgefundene "Rosa-Luxemburg-Konferenz" (Berlin) - jeder Interessierte schon Wochen vorher in der Tageszeitung "jungen Welt" und im "Gefangenen-Info" hätte nachlesen können. CSU-Generalsekretär Söder forderte spontan die Verwahrung Christian Klars bis zu dessen Tod; Beckstein (designierter bayerischer Ministerpräsident) sprach von einem unverbesserlichen Terroristen und auch der FDP- Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Guido Westerwelle war empört. Der baden-württembergische Justizminister, Prof. Dr. Ulrich Goll (FDP) ist der Einzige der sich echauffierenden Politiker, der unmittelbar Klars Vollzugsalltag beeinflussen kann - und offenbar auch beeinflusst hat. War für den 27.2.07 eigentlich geplant, in einer Vollzugsplankonferenz dem Gefangenen Klar eine Möglichkeit einzuräumen, die Freiheit nach 25 Jahren Haft zumindest stundenweise (z.B. Ausgänge, Offener Vollzug) zu "genießen", wieder kennen zu lernen, so stoppte Goll dies. Die taz (http://www.taz.de) titelte daraufhin am 1.3.2007 auf Seite 1: "Das Schweinesystem schlägt zurück". Goll will nun ein zweites Gutachten in Auftrag geben (lassen), ihm genügt jenes des renommierten Kriminologen Kury, der Christian Klar eine positive Sozialprognose attestierte, nicht mehr. Das Grußwort, so der Minister, habe "eine neue Situation" ergeben (Zitat nach taz, 1.3.07, S. 2). FDP-Parteikollege Westerwelle assistierte, die Gewährung von Vollzugslockerungen müsse von einer positiven Haltung Klars zur Grundordnung der BRD abhängig gemacht werden. Etwa jener "Grundordnung", die Goll am 26.2.07 veranlasste, in einem Radiointerview mit dem SWR festzustellen, er verstehe unter Rechtsstaat, dass auch Menschen in Haft gehalten würden, die fälschlich als "gefährlich"eingestuft wurden!? Die Versuche, Christian Klar zu pathologisieren, sind ebenfalls überdeutlich: Da wird sein Grußwort als "wirre Rede" (Süddeutsche Zeitung, im Feuilleton vom 1.3.07) abqualifiziert, gerüchteweise gestreut, der Gutachter Kury habe Klar als "intellektuell verlangsamt" erlebt. Wer sich die Mühe macht, das inkriminierte Grußwort selbst zu lesen, findet dort eine realistische Einschätzung der aktuellen Lage Lateinamerikas ebenso, wie eine - völlig berechtigte - Kritik an den Angriffskriegen, und einen Ausblick nach Vorne, in eine Welt, in der das Kapital nicht (mehr) die Mehrheit der Erdbevölkerung im Würgegriff hält.
Thomas Meyer-Falk, c/o JVA - Z. 3117 Schönbornstr. 32 D-76646 Bruchsal http://www-freedom-for-thomas.de
Unbequeme Nachrichten, Nr.6, Mitte 2007

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