Montag, 2. Juli 2007

Deutscher Herbst 2.Teil

Wann entschuldigt sich der Staat? (UN6, Text 1) Die Diskussion um die Freilassung von Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar machte eins deutlich: Diese Gesellschaft hat sich seit dem sog. Deutschen Herbst nicht positiv weiterentwickelt. Die BILD startete in schlechtester Tradition über Wochen eine Hetzkampagne wie vor dreißig Jahren. Opfer gibt es in den offiziellen Diskussionen nur auf staatstragender Seite. Die Opfer der anderen Seite und damit meine ich nicht nur die getöteten RAF-Mitglieder werden mit keinem Wort erwähnt. Die größte Opfergruppe jenes Deutschen Herbstes ist nicht mal im Bewußtsein präsent. Gemeint sind all die Gefangenen, die in den letzten dreißig Jahren Opfer der damals eingeführten Sondergesetze wurden. Zur Erinnerung es war die Zeit, als die Isolationshaft und das Kontaktsperregesetz eingeführt wurden. Unter dem Eindruck der Schleyer-Entführung wurden diese Sondergesetze von einer Großen Koalition durchgepeitscht. Die Herrschenden hielten es aus Ihrer Sicht für notwendig, die Gefangenen aus der RAF von der Außenwelt zu isolieren. Sondergesetze gegen eine Handvoll Gefangener, eine äußerst fragwürdige Veranstaltung. Natürlich lief es dann auch ganz anders. Damals sagte aber niemand der Verantwortlichen der Bevölkerung, daß Isolationshaft und Kontaktsperre "selbstverständlich" auch bei ganz normalen Gefangenen angewendet wird Egal ob Einbrecher, Autoklauer oder Bankräuber - sobald jemand aufmuckt, systemkritisch wird, kann er schnell in Isolationshaft landen. Ich selbst war als Bankräuber ein Jahr in Isolationshaft und hatte 3 Monate totale Kontaktsperre. Der Hintergrund: Wir hatten damals aus dem Knast heraus die systemkritische Anti-Knast-Zeitung HABERFELD herausgebracht. Wir machten Menschenrechtsverletzungen vor allem in der Knastpsychiatrie öffentlich. So etwas hat die totalitäre Institution Knast gar nicht gerne. So war es nicht weiter verwunderlich, daß ich mich schließlich auch in der Isolationshaft wiederfand. Die ersten drei Monate wurden durch eine totale Kontaktsperre verschärft. Das hieß im meinem Fall: Kein Radio, keine Zeitung, keine Briefe, kein Besuch. Das Ziel war klar. Es sollte verhindert werden, daß ich weiterhin kritische Öffentlichkeitsarbeit über die Gewaltinstitution Knast betreibe. Ein herrliches System, das seine Kritiker gleich noch selber mundtot machen darf. Der Traum jedes Despoten. Dreißig Jahre nach dem Deutschen Herbst sitzen mehr Gefangene als je zuvor in Isolationshaft. Viele der Gefangenen, zu denen wir als Zeitungsprojekt Kontakt haben, sind davon betroffen. Einige davon sitzen schon mehr als 10 Jahre in Isolation. Manchmal kommt es einem so vor, als sei die Isolationshaft der "Normalvollzug". In der Diskussion vor dreißig Jahren waren Isolationshaft und Kontaktsperre nur durchsetzbar, weil der Öffentlichkeit vorgegaukelt wurde, es seien nur wenige Gefangene und auch nur während einer Ausnahmesituation betroffen. Keine Rede davon, daß Isolationshaft für viele Gefangene über einen langen Zeitraum zum "Normalvollzug" wird. Wenn mensch es so sagen will, dann hat die RAF durch ihre Auflösung total abgerüstet. Jetzt wäre es aber allerhöchste Zeit, daß auch der Staat abrüstet. Ich bin allerdings nicht so naiv zu glauben, daß er dies freiwillig tun wird. Positive Veränderungen kommen nur durch starken gesellschaftlichen Druck zustande. Diesen zu erzeugen wird unsere Aufgabe sein.
Gerhard
Unbequeme Nachrichten, Nr.6, Mitte 2007

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