Montag, 2. Juli 2007

Getroffene Hunde bellen

oder: Strafanzeige mit Folgen (UN Nr.6, Text 10) Wie politische Staatsbeamte in diesem Lande auf empörtes und entsetztes Verhalten normaler Menschen reagieren, kann als ein weiteres Lehrbeispiel wieder einmal in diesen Tagen anschaulich betrachtet werden. Der Fall: Der 60-jährige Bernd Bruns aus Düsseldorf, in den frühen achtziger Jahren Bundestagskandidat der alten grünen Partei, sieht sich derzeit durch den Kölner Polizeipräsidenten Klaus J. Steffenhagen juristisch bedroht. Der hat gegen Bruns eine Strafanzeige gestellt. Hintergrund ist der Fall des Fliesenlegers Josef Hoss in Siegburg, der am 8. Dezember des Jahres 2000 von einer 16-köpfigen SEK-Einheit der Kölner Polizei äußerst brutal zusammengeschlagen worden war. Das Opfer hatte sich nichts zu Schulden kommen lassen. Bevor Hoss Opfer der staatlichen Terror-Attacke wurde, hatte er Streit mit Nachbarn. Diese verleumdeten ihn und hetzten die Polizei auf ihn. Sie setzten das Gerücht in die Welt, Hoss sei gefährlich, besäße Handgranaten und so weiter. 16 SEK-Schläger durchsuchten sein Haus und nahmen ihn fest. Da saß er gerade in seinem Wagen vor dem Haus. Im ARD-Magazin "Monitor", welches über den Fall berichtete, sagt das Gewaltopfer, das zur Zeit des Überfalls 54 Jahre alt war und mitten im beruflichen Leben stand: "Dann kamen hinten acht Mann raus gelaufen, von vorne und dann haben sie die Scheiben eingeschlagen und haben mich mit nem Gummiknüppel traktiert, die Brust kaputtgeschlagen und ins Gesicht und haben mich dann auf die Straße geschmissen, und dann haben sie mich gefesselt mit drei, vier Mann ... das ganze Gelenk oben, das knackte alles. Und dann haben sie mir Handfesseln angelegt. Und wie ich gefesselt mit dem Gesicht auf dem Pflaster lag, dann habe ich noch einen Riesentritt gekriegt, rechts in die Rippen und einer ist mir in den Rücken gesprungen oder hat getreten mit einem Kampfstiefel. Und dann habe ich das Bewusstsein verloren." Die Bilanz des Einsatzes: Josef Hoss hatte keine einzige Handgranate. Ein Mensch, der sich nichts zu Schulden hat kommen lassen, wurde von der Polizei arbeitsunfähig geprügelt. In der Folge musste er seine Firma auflösen, das Haus verkaufen und ist heute schwer behindert. Er ist ein Wrack. Das Strafverfahren gegen die Kölner SEK-Beamten wurde eingestellt. Die Beamten litten anscheinend unter Amnesie. Keiner konnte sich so richtig daran erinnern, was sie mit ihrem Opfer veranstaltet hatten. Eine Zeugenaussage aus dem Verfahren gegen das SEK: "Bei einem Einsatz am 8.12.2000, also der Fall Hoss in Siegburg, wurde die festzunehmende Person von Polizeikommissar S. grundlos zusammengeschlagen. Polizeihauptkommissar M. sorgte wider besseres Wissen dafür, dass die Maßnahmen von allen beteiligten Beamten des SEK als rechtmäßig dargestellt wurden." Seit fünf Jahren wartet Josef Hoss auf Gerechtigkeit. Das Land NRW ist jetzt Prozessgegner. Er ist fast mittellos. Seine Frau kann die Medikamente für ihn nicht mehr bezahlen, er braucht Psychopharmaka. Das Motto des Kölner SEK-Kommandoführers aus einer Vernehmung: "Es gibt keine falschen Maßnahmen, es gibt nur falsche Begründungen." Dazu noch Fragen? Kölns Polizeipräsident K.J. Steffenhagen zu dem Fall: "Wir haben dann geprüft, ob es einen disziplinarrechtlichen Überhang gegeben hat. Den hat es für uns nicht gegeben. Insofern gab es für uns aus strafrechtlicher und disziplinarrechtlicher Sicht nach dem Fall Hoss keine beamtenrechtliches Maßnahmen der eingesetzten Beamten." Passiert, erledigt. Nicht weiter schlimm. Josef Hoss erstattete Anzeige wegen Misshandlung, die Staatsanwaltschaft Bonn stellte im Juni 2003 den Fall ein. Begründung: Die Beweislage sei unzureichend. Für den Staat ist der Fall damit erledigt. Nicht so für Bernd Bruns und für Amnesty International. Amnesty hat den Fall Hoss und zahlreiche weitere Fälle dokumentiert und unter dem Titel "Erneut im Fokus" im Januar 2004 veröffentlicht. Zu Grunde liegen diesem Deutschland-Bericht eine Vielzahl solcher Vorfälle, begangen durch deutsche PolizistInnen. Für Bruns, der noch am gleichen Abend nach der Ausstrahlung der "Monitor"-Sendung "empört und entsetzt" (Bruns) eine Beschwerde online an die Polizei NRW abgeschickt hatte, stellt dieser Vorfall, neben weiteren, nicht nur "einen evidenten Rechtsbruch des Grundsatzes von der gebotenen ‚Verhältnismäßigkeit staatlich eingesetzter Mittel'" dar. Aus seinem Schreiben an die Polizei: "Ihr allerhöchst‚ ehrenwerter' Polizeipräsident und ehemaliger Funktionär der Polizeigewerkschaft GdP agiert dem gegenüber in unerträglicher Weise als Verbrecher im Staatsdienst, indem er sich vor das rechtwidrige Verhalten seiner Beamten stellt und offenbar nicht bereit ist, zu einer adäquaten Aufklärung der skandalösen Vorfälle beizutragen." Und weiter: "Vor diesem Typus eines ‚Beamten' habe ich als beobachtender Bürger große Angst: Dieser verbrecherische Beamtentypus a la Klaus J. Steffenhagen agierte schon in unsäglichen Zeiten - ohne jemals adäquat zur Verantwortung gezogen zu werden ... Aber ich reklamiere hier die beklagenswerten Zustände keineswegs anonym. So viel Zivilcourage muss sein." Für Bernd Bruns trägt Steffenhagen, als Behördenleiter und Vorgesetzter, letztlich "die formale und politische Verantwortung für die Auswahl seiner Beamten und ihre Ausbildung in ‚seiner' ohnehin "bereits skandalbehafteten SEK-Truppe, die offenbar de facto als unkontrollierbare ‚polizeiliche Verbrecherorganisation' agieren kann."Am 1. März 2007 erhielt er vom Polizeipräsidium Düsseldorf eine Vorladung in der "Ermittlungssache Beleidigung vom 19.01.2006 in Köln, z.N. Steffenhagen". Einschüchtern lasser er sich von kritisierten staatlichen Institutionen nicht. Bruns: "Ich gehöre noch zu der Generation, für die Zivilcourage keine Frage gewesen ist."
Jürgen Stein
Unbequeme Nachrichten Nr.6, Mitte 2007

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