Montag, 2. Juli 2007

Christlicher Fundamentalismus im Knast - eine neue Offensive?

(UN6, Text 6) Bundesweite Bekanntschaft errang die habilitierte Theologin Annette Schavan (ehemals Kultusministerin in Stuttgart, heute Bundesministerin für Bildung) mit ihrer Verfolgung muslimischer Lehrerinnen, welche nur mit Kopftuch auf den Haaren unterrichten wollten. Diese wurden - auf Weisung Schavans - in Baden-Württemberg mit einem faktischen Berufsverbot belegt; dass es dafür nicht einmal eine gesetzliche Grundlage gab - diese musste erst das Bundesverfassungsgericht einfordern - scherte die katholische Fundamentalistin Schavan nicht. Aber auch über den Schulsektor hinaus wird eifrig auf zwangsweise unter Kontrolle des Staates stehende Bürgerinnen und Bürger Einfluss genommen; diesmal im baden-württembergischen Strafvollzug. So verteilten die Wärter Mitte März 2007 im Auftrag des evangelischen Anstaltspfarrers, sowie sechs Gefangener ein Faltblatt, welches diese vorgenannten Inhaftierten verfasst hatten, an alle Mitgefangenen der Bruchsaler Haftanstalt. Dort heißt es: "Wer von uns will nicht gesund sein? Frei von allen Ängsten und Süchten? (...) Wer Jesus annimmt, der weiß, dass er immer bei ihm ist (...)." Man wird aufgefordert, den aufgedruckten "Gebetsgutschein" auszufüllen, seine - Zitat - "Sorgen, Nöte, Krankheit" zu notieren, um sodann den "Gutschein" über den Anstaltspfarrer Vogel an die oben erwähnten Gefangenen weiterleiten zu lassen, welche sodann - Zitat - "für Dich beten und deine Sorgen vor Gott bringen" würden. Nun, so ein Blatt Papier ist rasch entsorgt; wesentlich bedenklicher erscheint die Tatsache, dass künftig im Bereich Jungendstrafvollzug in Baden-Württemberg augenscheinlich christliche Missionierung im Jugendstrafvollzugs-Gesetz vorgeschrieben sein wird. Wenn nämlich in § 22, Abs. 2, dort ist das "Erziehungskonzept" geregelt, festgelegt wird, dass die jungen Gefangenen in der "Ehrfurcht vor Gott", sowie im "Geist der christlichen Nächstenliebe" zu erziehen seien (nebenbei: Den Gefangenen soll auch die "Liebe zu Volk und Heimat" eingetrichtert werden, aber dies wäre ein anderes Thema). Der Gesetzentwurf der Landesregierung ist im Internet zugänglich (http://www.justiz.baden-wuerttemberg.de/servlet/PB/show/1204457/Entwurf Während einerseits der SPIEGEL (Ausgabe vom 26.3.07) in einer Titelgeschichte vor der angeblichen "Islamisierung" Deutschlands warnt und gegen Muslime agitiert, bahnen staatliche Stellen, durch praktische Unterstützung ebenso wie durch entsprechende Gesetze einer christlichen (Zwangs)Missionierung den Weg. Wie sollen 14, 15, 16-jährige junge Menschen, die plötzlich in Haft sitzen, sich der christlichen Indoktrination entziehen, zumal sie Nachteile realer, vielleicht auch eingebildetster Art befürchten müssen, wenn sie nicht mit "Ehrfurcht vor Gott" reagieren, sich der "christlichen Nächstenliebe" (in deren Namen jemand wie US-Präsident Bush jr. im Irak einmaschierte und für zahlloses Leid verantwortlich zeichnet) nicht beugen wollen?! Wie sollen es muslimische Jugendliche verstehen, wenn die (Re-)Christianisierung zum "Erziehungskonzept" geadelt wird? Und wie sollen es "ungläubige" Jugendliche verstehen?
Thomas Meyer-Falk, c/o JVA - Z. 3117, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal http://www.freedom-for-thomas.de
Unbequeme Nachrichten, Nr.6, Mitte 2007

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