Dienstag, 12. Dezember 2006

WEGSCHAUEN GILT NICHT!

In Zeiten verschärfter Repression innerhalb und außerhalb der Knäste gibt es auch Erfreuliches zu berichten: Vom 8.-13.Oktober 06 war die Knast-Info-Tour des Autonomen Knastprojekts Köln zu Gast in sechs bayrischen Städten. Bayern, damit verbinden viele von uns Nordlichtern nur Repression hoch drei und politische Rückständigkeit. Umso überraschter waren wir über die Resonanz, die wir bei unserer Tour erlebten. Tja, wo die Nacht am dunkelsten ist ..... Zu diesem "Randthema" so viele Menschen, auch in den kleineren Orten, wir waren überwältigt. So etwas kennen wir aus Köln nicht. Manchmal hat uns diese große Resonanz auch unsicher gemacht. Ehrlich gesagt, wir waren ganz schön aufgeregt. Deshalb war die ein oder andere Veranstaltung auch von uns aus etwas holprig. Aber GenossInnen, wenn Ihr von uns enttäuscht wart, so bedenkt, dass wir keine Politprofis sind, die nix anderes machen, als solche Veranstaltungen durchzuführen. Für all die, die uns nicht bei der Tour persönlich kennengelernt haben, hier vielleicht ein ganz kurzer Bericht, wie die Veranstaltungen so abgelaufen sind: Zu Beginn hatten wir immer unsere Wanderausstellung mit den Anti-Knast-Karikaturen von Finni an die Wand gepinnt. Finni ist einer der kämpferischten Gefangenen, zu denen wir vom Autonomen Knastprojekt Kontakt haben. Er arbeitet auch intensiv an unserer Zeitung, "Unbequeme Nachrichten" mit. Nicht nur mit seinen Karikaturen, Nein, Finni hat auch viel zu erzählen. Finni sitzt seit 12 Jahren in Isolationshaft. Zwischen die Karikaturen von Finni hatten wir ein großes leeres Blatt gehängt und die VeranstaltungsbesucherInnen aufgefordert, da für Finni ihre Meinung zu seinen Karikaturen oder auch nur einen Gruß an ihn drauf zu schreiben. Leider wurde dieses Angebot kaum genutzt. Während der Veranstaltung standen dann zwei leere Stühle zwischen uns. Sie standen symbolisch für die zwei Gefangenen, die wir zu unserer Veranstaltung eingeladen hatten und die "natürlich" nicht kommen konnten. Neben Finni war dies auch Thomas Meyer-Falk. Thomas sitzt in der JVA-Bruchsal. "Natürlich" ebenfalls in Isolation. Thomas ist ein Red Anarchist Skinhead. Thomas ist politisch sehr aktiv. Viele von Euch kennen bestimmt einige seiner Texte. Auch in dieser unserer Zeitung "Unbequeme Nachrichten" stehen oftmals Texte von ihm. Wir hatten beide Gefangene ganz offiziell bei den jeweiligen Anstaltsleitungen als Referenten eingeladen. Von den JVA-Bruchsal (da sitzt Thomas) erhielten wir - NIX. Null Reaktion. Von der JVA-Celle (da sitzt Finni) erhielten wir ein Schreiben (allerdings erst nach Beginn der Tour, so dass wir es erst bei unserer Rückkehr vorfanden). Dort hieß es lapidar, dass sie uns aus datenrechtlichen Gründen keine Auskunft über Gefangene geben könnten, die "möglicherweise" in Celle sind. Sarkastisch wünschte uns die Anstaltsleitung dann noch "viel Erfolg für ihre Veranstaltung". Kommentar überflüssig. Neben den zwei nicht-anwesenden Gefangenen (die ja nur für etwa 40 andere Gefangene stehen, zu denen wir Kontakt haben) waren dann aber doch zwei Mitglieder des Autonomen Knast-Projekts vor Ort: Michel, der jetzt in einem selbstverwalten Projekt im Hunsrück lebt und arbeitet, in dem "Behinderte" und sogenannte Nicht-Behinderte zusammenleben, und unser knasterfahrenes Projektmitglied Gerhard, der selbst 10 Jahre in Bayern im Knast war. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde erzählte Gerhard kurz von seinen bayrischen Knasterfahrungen. Erfreulicherweise ging es dabei weniger um eine Beschreibung der Repressionsmaschinerie, als vielmehr um den Widerstand dagegen. Es war offensichtlich sein Ziel, vorhandene Ängste vor dem Knast abzubauen. Klar, Knast ist schlimm. Ist die Zuspitzung gesellschaftlicher Gewaltverhältnisse. Aber - es ist kein widerstandsfreier Raum. Auch wenn das die Knastbetreiber gerne hätten. Er erzählte, wie sich damals im Straubinger Knast eine Art von Widerstandsgruppe entwickelt hat, wie es ihnen gelang, ganz schlimme Dinge im dortigen Knast an die Öffentlichkeit zu bringen. Wie sich eine Redaktionsgruppe für die linksradikale Antiknastzeitung "Haberfeld" bildete. Wie es ihnen gelang, ihre Texte an der (in Straubing besonders rigiden) Zensur vorbei nach draußen zu schmuggeln, wo die Zeitung dann von den GenossInnen draußen gedruckt wurde. Aber das Haberfeld war nicht nur ne Zeitung, in der über einzelne "Missstände" berichtet wurde. Es ging immer um den Missstand überhaupt. Und damit meinen wir nicht nur den Knast. Er berichtete auch darüber, wie er nach einer geplanten Dachbesetzung in Isohaft kam. Michel berichtete, dass er noch keine eigene Knasterfahrung hat, aber schon mehrfach im sogenannten "Unterbindungsgewahrsam" war. Besonders empört hat ihn daran die Tatsache, dass mensch für etwas eingesperrt wird, was er noch gar nicht getan. Nur weil er in der Vergangenheit vielleicht mal was getan hat. Ähnlich ist es ja auch bei der sog. "Sicherungsverwahrung", die offiziell keine Strafe ist für etwas, das mensch getan hat, sondern im Grunde ein möglicherweise lebenslanger Unterbindungsgewahrsam. Michel erzählte, wie er trotz mangelnder eigener Knasterfahrung dazu kam, Antiknastarbeit zu machen. Wörtlich: "Ich kann doch nicht draußen gegen Repression kämpfen und dann die Augen vor der Repression drinnen verschließen." Die anschließenden Frage- und Diskussionsrunden waren an den einzelnen Orten unterschiedlich intensiv. Einmal war ein Vater vor Ort, dessen Sohn in München wegen ner Btm-Sache in U-Haft sitzt. Natürlich wurde darüber länger diskutiert. Auch ganz praktisch. Wie geht mensch mit so ner Situation um. Als Angehöriger, FreundIn oder einfach nur als nicht unmittelbar betroffeneR GenossIn. Manchmal gab es auch Diskussionen darüber, wie das denn aussehen könnte mit der Gesellschaft ohne Knäste. Wobei sich dann (nicht anders als in der übrigen Gesellschaft) die Diskussion immer an den wirklich schlimmen Fällen und den wenigen Gefangenen, die wirklich andere gefährden, entzündete. Wir vom Autonomen Knastprojekt sagten dann, dass wir für diese Fälle auch kein Patentrezept hätten. Daß die Abschaffung des Knastsystems einhergehen müsse mit der Abschaffung des Systems überhaupt. Daß eine weniger kaputte Gesellschaft auch weniger Kaputtheiten produzieren würde. Daß wir aber bei der Diskussion über die "wenigen Gefährlichen"(dangerous few) nicht vergessen sollten, dass 90% der Gefangenen sofort entlassen werden könnten, ohne dass irgendjemand ernsthaft gefährdet würde. Natürlich sprachen wir auch noch über die Sicherungsverwahrung und deren Verschärfung. Über die Föderalismusreform und was die für Verschlimmerungen für die drinnen, aber auch für uns draußen bringt. Über Nazis im Knast und dass die Nazis draußen massiv versuchen in die Knäste hineinzuagitieren, während viele Linke immer noch Berührungsängste gegenüber den Gefangenen haben, wenn diese nicht grade aus der eigenen Bewegung kommen. Dazu wurde auch ein kurzer Text von Finni verlesen, der in den letzten "Unbequeme Nachrichten" auch veröffentlicht war. Darin fordert er die AntifaschistInnen draußen(sind wir doch hoffentlich alle) auf, die AntifaschistInnen drinnen an ihrem Kampf teilnehmen zu lassen. Warum nicht einfach mal Flugis und Berichte über unsere Aktionen draußen auch in Knast schicken. Keine Angst vor der Zensur, der Verfassungsschutz hat die eh längst. Am Rande der Veranstaltungen haben wir viele interessante Menschen in Bayern kennengelernt und viele Kleinstdiskussionen nach dem "offiziellen" Ende der Veranstaltung geführt. Wir hoffen, dass diese Tour kein "einmaliger Ausrutscher" war. Wir erwarten jetzt nicht, dass jetzt massenweise GenossInnen die Antiknastarbeit zu ihrem Schwerpunkt machen. Wobei Einzelne schon signalisiert haben, mehr in diesem Bereich machen zu wollen (Briefkontakt, Kundgebung etc). Wir wünschen uns aber, dass Antiknastkampf wieder mehr selbstverständlicher Teil emanzipatorischer Politik wird. Wir AntiknastkämpferInnen sind keine ExotInnen. Wir kämpfen doch alle gegen die gleiche Hydra, auch wenn wir uns auf unterschiedliche Köpfe konzentrieren. Wenn ein Kopf übrigbleibt, haben wir alle verloren. Fazit: Es war richtig nett bei den bayrischen GenossInnen. Wenn ihr uns noch mal einladet, kommen wir gerne wieder. Auch in Städte, in denen wir noch nicht waren.
Autonomes Knastprojekt Köln
UNBEQUEME NACHRICHTEN, Nr.5

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