Dienstag, 12. Dezember 2006

Rechte fischt im Trüben

Vielen Dank für kumm erus bzw. Unbequeme Nachrichten. Was mich gefreut hat war, dass das Lyrikstück von mir abgedruckt wurde. Doch was ich am wichtigsten fand, das war der Artikel über das „Rechte Unwesen“ der Neonazis in deutschen Knästen. Seit Jahren ist mir das ein Herzensproblem, wie die Rechten – z.B. die NPD – ihre „Soldaten“ und Handlanger in deutschen Zuchthäusern rekrutieren. Es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass die Rechte dabei ein großes Auswahlsortiment hat, angefangen bei voll ausgebildeten Handwerkern und Computertechnikern bis zu Männern, die als Betrüger und Totschläger verurteilt wurden, auch Menschen, die ohne mit der Wimper zu zucken einen umlegen. Hört sich brutal an, aber es ist so. Mit Sicherheit wird die Rechte unter der Führung der NPD keine Sozialfälle in den deutschen Zuchthäusern rekrutieren, um Sozialdienste zu leisten. Dafür muss schon was gemacht werden. Denn die Rechte kalkuliert auch mit Finanzen. Jede Neurekrutierung ist zugleich ein Gewinn für die Rechte, egal zu was und warum man sie sich an Land zieht. Eines ist auf jeden Fall klar: In den Zuchthäusern sitzen zum großen Teil Menschen ein, die mit dem Staat und seinen Machthabern nichts am Hut haben, die dagegen sind. Solche Geister brauchen die Rechten. Mit diesen Jungs lässt sich gut arbeiten. Egal ob sie als Betrüger, Totschläger, Räuber, Vergewaltiger, Einbrecher, Fälscher oder etwas ähnlichen einsitzen, man/frau braucht denen nur klar machen, dass ihre zukünftigen Aktionen im selben Milieu, aber für „Volk und Vaterland“ und für „die Nationale Sache“ sind, und die eventuell noch vorhandene Schamgrenze ist vollends überschritten, wenn sie das nicht schon vorher war. So eine Tätigkeit in der selben Ausrichtung erhält eine Art höherer Weihe, wenn sie dann „im Geiste vom Vaterland, für die Partei und Deutschland“ ausgeübt werden soll. So was gibt den Rekruten fast einen legalen Anstrich. Die Machthaber des Staates sind allesamt irgendwie in Schmierereien verwickelt. Am Krieg im Nahen Osten wurde wieder mal bekannt, wie die verschiedenen europäischen Staaten Geschäfte mit den Kriegsparteien betrieben. Da kann sich kein Rechtsempfinden oder legales Denken entwickeln. Für wen auch? Also entscheiden die rekrutierten Geister der Rechten sich für jene, die ihnen eine Perspektive geben. Im Zuchthaus gibt es keine Perspektiven und Alternativen. Da greifen gewisse Leute gleich zu, wenn die NPD ihnen etwas anbietet, und sei es auch nur das Empfinden, doch noch was darzustellen. „Räuber und Mörder fürs Vaterland“, solche Veranstaltungen gab es schon mal in Deutschland in verschärfter Form. Und so etwas wird auch noch heute in Staaten „legal“ veranstaltet. Aber dass die Rechte, speziell auch die NPD, so offen agieren kann, das gibt Grund zur Besorgnis zumal sich der Verdacht immer stärker heraus kristallisiert, dass das mit Wissen der zuständigen Behörden von Justiz und Ministerien passiert. Durch die Föderalismusreform ist Vollzug nach Kassenlage angesagt. Gefangene in Bruchsal sollen zwischen 30 und 120 Euro selber zahlen für ein ANTI-GEWALT-TRAINING. Das zeigt, wohin es geht mit dem deutschen Vollzug. Das A-G-T ist doch ein Programm, das eigentlich der Staat den Gefangenen anzubieten hat, und zwar kostenlos. Zumindest wenn der Sinn des deutschen Strafvollzugs noch wäre, die Gefangenen auf ein Leben ohne Straftaten vorzubereiten. Das wäre letztendlich für die Sicherheit der Öffentlichkeit. Nun scheint der Vollzug nur noch zur Abzocke der Inhaftierten gebraucht zu werden. Am liebsten würden Justiz und Vollzug sich wohl an der Beute der Inhaftierten beteiligen wollen. Wer nicht freiwillig absteckt, wandert ein, wer absteckt, der hat Vorteile. So in etwa soll der Vollzug der Zukunft aussehen. Ob dann da rechtsradikale politische Gruppierungen mitfeiern an diesem traurigen Vollzugstheater, das interessiert den Vollzugsstrategen anscheinend nicht im Geringsten. „Warum auch?“ sagen sich diese Burschen, „Wenn ein Knacki den Rechten in die Finger fällt, da wird dieser Knacki mal richtig politisch erzogen und kann seine Nützlichkeit beweisen.“ Ganz egal, worin diese Nützlichkeit konkret besteht. Perspektivlosigkeit und traurige Zukunftsaussichten sind der meisten Inhaftierten Alptraum. Wohin und wie soll es weiter gehen nach dem Strafvollzug? Auch draußen ist es härter geworden. Die Haft macht noch chancenloser, im deutschen Strafvollzug wird nichts Positives gemacht. Der tägliche Kleinkrieg im Knast wird immer nervtötender. Inzwischen werden Plastikbehälter, Gläser, leere Shampooflaschen, Schrauben, Deckel von Marmeladenbehältern vom Justizpersonal dringendst gesucht. Auch Scheuerpulver und Besen- oder Schrubberstile fallen unter diese Verfolgung. Sogar ein Handtuch zu viel! Oder dieser Abzockerdeal mit der Landesoberkasse, dass Inhaftierte die Kosten für die Haft selber tragen müssen, wenn sie sich weigern für einen schwindsüchtigen Hungerlohn zu knechten. Schulden sind oft schon der Grund für rückfälle. Und dann stehen die Jungs nach der Entlassung mit weit höheren Schulden da als je zuvor. Und natürlich ist die Lust nicht groß für das In-den-Arsch-getreten-Werden auch noch zu bezahlen. Das Vollzugssystem ist teils schwachsinnig, teils terroristisch. Die Zukunft der Gefangenen ist gleich null. Da haben dann die Rechten und speziell die NPD leichtes Spiel, sich ihre brauchbaren Handlanger heraus zu picken und sie bei Bedarf noch etwas umzupolen. Agitation, etwas Schulung und Training für gewisses Verhalten zu bestimmten Zwecken, und der ehemalige Inhaftierte ist voll im rechten Geschäft. Die Schulungen werden dann schon während der Haft durchgezogen. Hin und wieder verträumt ein Blättchen „Deutsche Stimme“ im Flur bei Kumpels oder verträumt „versehentlich“ in der Post. Dann eine undefinierbare „Knastbetreuung“ mit Literatur, besuchen und Ausführungen mit den Schulungsleuten. Die beistehenden Justizbeamten werden freundlich mit eingeladen zu einem Essen. Und bei all dem Gerede von Vaterland, Deutschland und Parteiarbeit ... ist natürlich nichts Auffälliges zu bemerken. Nur dass auf einmal immer mehr Stoppelköppe und tätowierte Schädel mit Runenschrift im Haus rum laufen. Oder an Armen und Beinen die typische Kleidung der Rechten. Irgendwann hört man dann das antisemitische Geschwafel über „Judenpack“ und anderen Gruppen, die nicht deutsch genug sind. Zumal, als die Kriegshandlungen im Nahen Osten wieder angefangen hatten. Die Rechte ist nicht nur ein Haufen glatzköpfiger Six-Pack saufender Schwachköpfe mit Windjacken und Springerstiefeln. Die Rechte kommt aus erzkonservativen Kreisen. „Ehrbare“ Bürger und deutschtreue Patrioten. Ordentlich bürgerlich gekleidet. Also das, was als „ehrenswert“ angesehen wird und als „rechtstreu“. Wobei die Rechtstreue mehr der politischen Rechten gehört als dem Recht. Der Kontakt zu solchen Leuten wird in den Reihen der Vollzugsstrategen gerne gesehen, denn diese Leute stellen ja den „guten Deutschen“ dar. Der Kontakt zu solchen Rechtsbewegungen kann im Vollzug also als „resozialisierend“ und „entlassungsfördernd“ erscheinen. Dass eventuell der nächste Totschlag „im Namen des Volkes“ – des deutschen natürlich – und des Vaterlandes geschieht, das wird in Kauf genommen. Es ist nicht so, dass sich die Rechte inklusive der NPD in den Vollzug schleichen muss, um Untergrundarbeit zu leisten. Meist wird so was gerne gesehen und sogar gefördert. Wenn einmal im Jahr in der VA Bruchsal das Gesinnungstribunal vollzogen wird (- im Justizjargon wird es Vollzugskonferenz genannt -) und der Untergebene des Anstaltsleiters samt seinen Satrapen entscheidet, wie und was weiter im Vollzug geschieht, wird auch darauf geachtet, ob und mit wem Kontakt (- man nennt es dann auch soziale Bindung -) besteht. Kann ein Inhaftierter mit einem Kontakt auftrumpfen, der zwar ein wenig getarnt, aber doch durchschaubar ist, also den Gefangenen im rechten Lager einbindet, ist mit Wohlwollen und Güte zu rechnen. Wenn ein Gefangener einen Kontakt mit einem Sozialisten hat, und sei es Daniel Ortega, einstmals Staatspräsident von Nicaragua, wird ein solcher Kontakt als asozial und fraglich bezeichnet und das Gesinnungstribunal reagiert dem entsprechend. Dann lieber doch zum Reichapfel im sächsischen Landtag oder auch zu einer Wehrsportgruppe der Rechten. Denn diese verkörpern deutschen Geist. Ein sozialistischer Ex-Präsident ist dagegen nur ein verdammungswürdiger Penner im Geiste der blinden Justizschergen. Was mich erstaunt ist das Schweigen der so genannten deutschen Linken. Wobei ich mich inzwischen schon daran gewöhnt habe. Von dieser Richtung kommt nichts. Klar, ist auch kein Blumentopf mit dem Thema Strafvollzug zu gewinnen! Die „sozialen Gefangenen“ sind nur Dreck für die Linke. Sie könnten ja das Image der Linken versauen, einer Linken, die in der rechten Hosentasche die AMEX-Karte trägt, einen repräsentativen Wagen fährt und in gut bezahlten Berufen Anerkennung sucht. Eine Linke, die meist nur mit dem Maul links ist. Zwischenbemerkung:Die Unterscheidung zwischen „sozialen Gefangenen“ und „politischen Gefangenen“ ist ein Relikt aus der Zeit der RAF, als also auch die Linke Gefangene in den Knästen hatte. Da musste dann (angeblich) unterschieden werden. Das eine waren die besonderen, die edlen und unterstützenswerten Gefangenen. Das andere waren halt die anderen, die auch damals kaum eine Bedeutung hatten. Man gab zwar an, dass die im Rahmen von irgend welchen sozialen Konflikten einfahren, dass das auch was mit Armut und sozial ungleichen Chancen zu tun hat, aber man hielt größtenteils Abstand. Sobald soziale Konflikte in den Knast führen, schien und scheint das nicht mehr Sache der angeblich sozial engagierten Linken zu sein. Das ist wohl auch eine Klassenfrage, weil die angeblichen Linken viel zu bürgerlich sind und es (leider!!!) nur wenige bewusste Linke in den unteren Klassen gibt. Trotzdem, ich finde es fast link und zumindest linkisch, was die Linke da macht, dass diese Parteien und Gruppierungen nicht gegen die Rekrutierungsmaßnahmen der Rechten angehen. Ist das der Sinn für Sozialismus oder gar Marxismus? Wenn sie sich schon nicht für uns Gefangene interessieren, so müsste ihnen doch wenigstens auffallen, dass sich ihre politischen Gegner aus den Gefängnissen „Menschenmaterial“ holen. Es kommt mir vor, als ob ein/e Abgeordnete/r im Bundestag um den Glanz des Schreibtisches fürchtet, wenn ein Brief von einem Inhaftierten auf dem Tisch liegt. Als sei der Brief ein Bazillus! Eure Zeitung kumm erus bzw. „Unbequeme Nachrichten“ war bis jetzt das einzige Blatt, das den Einmarsch der Rechten in deutsche Zuchthäuser zu diskutieren beginnt. Noch nie habe ich anderswo gesehen, dass das registriert wird. Ich habe an den Bundestag, an verschiedene Parteien, an Amnesty und ähnliche Vereine geschrieben und davor gewarnt, dass die Rechte die Knäste unterwandert und in ihnen rekrutiert. Nicht ein einziges Wort ist von diesen Leuten gekommen. Der ehemalige Strafvollzugsbeauftragte der GRÜNEN, der jetzige Freiburger Oberbürgermeister Salomon, hat es nicht mal für nötig und würdig empfunden, eine Antwort zu geben, als ich ihm Beweismaterial aus dem Stammheimer Knast zusandte. Es ist halt politisch nichts gewonnen, wenn man sich um Strafvollzug kümmert. Höchstens, wenn es um Verschärfung der Repression geht. Beispiel: Das Gesetz zur Sicherungsverwahrung. Da haben die GRÜNEN dazu beigetragen, ein ehemaliges Hitler-Gesetz noch zu verschärfen. Glückwunsch! Mit so etwas lässt sich Stimmen fangen! So viel für heute. Ich weißt, mein Schreibstil mag rüpelhaft klingen. Aber es ist für mich hier keine Zeit, vornehm zu sein.
Roland Schwarzenberger
UNBEQUEME NACHRICHTEN Nr.5

Keine Kommentare: