Freitag, 14. Mai 2010

Warum Anti-Knast-Aktionstag ?

Wir, ein Bündnis von Gruppen aus verschiedenen Städten, rufen auf zu einem I Aktionstag am 19.Juni 2010 gegen die Knastgesellschaft in all ihren Facetten. I Lasst uns ein deutliches Zeichen setzen. Zeigen wir in vielfältigen und kreativen Aktionen, dezentral und überall auf der Welt, was wir vonder Idee der der totalen Kontrolle halten.
Das Verhältnis Knast und Gewalt
Knast bedeutet Unterdrückung, Kontrolle, Ausbeutung und Ausgeliefertsein. Strukturelle Gewalt ist Teil unserer Gesellschaft. Auf ihr beruht unser Rechts- system. Kein Wunder also, dass sie auch vor den Toren der Knäste keinen Halt macht und sich in Form von individueller Gewalt, wie Misshandlungen und sexuellem Missbrauch, entlädt. Schließer nehmen innerhalb dises Systems eine entscheidenden Rolle ein. Sie sind Teil der internen Hierarchien und verhalten sich entsprechend. Sie wissen, dass sie in ihrer Position Macht über Menschen haben und nutzen diese auch aus. Es gibt immer wieder Übergriffe durch Angestellte der Vollzugsanstalten. Sei es aus reinem Frust, rassistischer Motivation oder im Sinne der Aufstandsbekämpfung. In Frankreich gibt eigens dafür ausgebildete Einheiten wie z.B. die „IRIS“. Sie sind ähnlich ausgerüstet wie die CRS- Einheiten auf den Starßen der Banlieues. Schließer undPersonal der Vollzugsanstalten sind, genau wie der Justizapparat und die Polizei- behörden Teil des Problems und nicht Teil der Lösung.
Knast und Prekariat
Weltweit sitzen Millionen Menschen hinter Gittern. Ein großer Prozentanteil wird auf Grund von Eigentumsdelikten, wie z.B. Diebstahl oder Raub, weg gesperrt. Also wegen angebliche Vergehen, die sich bewusst oder unbe- wusst gegen die Eigentums- undVerwertungslogik des Kapitalismus wenden und den Weg zum „Wohlstand“ abkürzen sollen. Andere können sich die Miete nicht mehr leisten oder landen wegen mehrmaligen Schwarz- fahren im Bau. Nach wie vor ist der Knast auch ein Mittel zur Zerstörung von Klassenbewusstsein und Schaffung von Milieus ohne Bewusstsein für ihre Lage. Äußere soziale Kontrolle, wie etwa durch Ämter und Behörden, macht eine bessere Überwachung und Disziplinierung nach der „Ent- lassung“ möglich. In der US-amerikanischen Studie „How unregulated is the U.S. Labor Market?“ ,wird der Ausbau der Vollzugsanstalten zu Gunsten der Arbeitslosenstatistik, begrüßt. Diese Idee, kombiniert mit einer „Null Toleranz Politik“, die Haftstrafen schon bei kleinsten Vergehen fordert, stößt in Europa auf Anklang. Noch steckt die Entwicklung der Gefängnisses als Mittel der Arbeitsmarktregulierung in den Kinderschuhen.
Knast und Migration
Migrant_innen leiden unter dem Druck der globalen Sicherheits- gesellschaft. Viele vonihnen sterben schon bei dem Versuch Europa oder die USA zu erreichen. Jene die esschaffen, die hochgerüsteten Grenzen zu überwinden, werden innerhalb dieserverfolgt, in Lagern inhaftiert und erkennungsdientstlich behandelt, z.B. mittels SIS 1 oder SIS 2. Gedemütigt und zum Teil schwerst traumatisiert warten sie nun auf ihre Abschiebung in bittere Armut oder den sicheren Tod. Auch Todesfälle vor oder während der Abschiebung sind keine Seltenheit. Im Rahmen der Neuorientierung europäischer Sicherheitspolitik soll es zu einem weiteren Ausbau der vor- gelagerten Abschiebeknäste, in den sog. sicheren Drittstaaten, und zu einer besseren Erfassung und Eindämmung der Migrationsströme kom- men. Um dieses Ziel zu erreichen wird auch vor der Zusammenarbeit mit Diktatoren wie Gaddafi kein Halt gemacht. Den Menschen, die die globa- len Krisen ammeisten zu spüren bekommen, bringt dieses Vorgehen mit „Sicherheit“ ein Leben in Angst, Verfolgung und Gefangenschaft.
 
Psychatrie, der weiße Knast
Neben den Gefängnissen für „übliche“ Kriminelle gibt es auch noch jene Zwangsanstalten für „Irre“ Menschen, die Psychiatrien. All zu oft wird völlig ohnezu hinterfragen in „Normal“ und „Abnormal“ eingeteilt. Präventiv wird alles was ander Hülle unsere heilen Welt kratzt durch Medikamentierung oder Therapie ruhiggestellt. Unbequemes wird auch hier eingesperrt und weggeschlossen. In einer Welt, in der die Schließer ihre Uniformen gegen die subtileren weiße Kittel desAnstaltspersonals tauschen, ist Kritik schwierig und stößt oft auf taube Ohren. Da,wo Teile der Medizin beginnen jegliche menschliche Handlung auf die Leitung oderFehlleitung unserer Synapsen zu reduzieren, beißt sich die Auf- klärung in den Schwanz. Ein biologischer Determinismus löst den freien Willen ab. Zur Not wird diese angebliche Erkenntnis durch eine Zwangs- einweisung, zum Schutz der eigenen Unversehrtheit, untermauert. Auch hier gibt es die Tendenz, sich selbst als nicht leistungsfähig genug, alsminderwertig einzustufen. Die pharmazeutischen Unternehmen hal- ten in diesem Fall viele Produkte zur Selbstoptimierung bereit. Eine der am häufigsten verwendeten Substanzen ist das Speedderivat Retalin. Es macht leisungs- und aufnhamefähiger undwird an manchen Univer- sitäten indirekt sogar begrüßt. Dies kommt einer Selbstdisziplinierung auf gezielt neurologischer Ebene gleich. Eine Qualität die es im Verlauf der der Geschichte der „Kerkergesellschaft“ so noch nicht gab.
Knast als Logik der Gesellschaft
Der Knast, in Form von Zellenhaft, trifft also nicht nur solche, die sich ausdrücklich als politische Aktivist_Innen verstehen. Oft gibt es gut funktionierende Solidaritätsstrukturen die betroffene Menschen, beson- ders aus linken Kreisen, vor einer Inhaftierung bewahren. Dies ist auch gut so, aber es kann dazu führen, dass schnell vergessen wird, welche Logik hinter diesen Gebäuden aus Stahl und Beton, hinter der Symbiose aus Architektur und Autorität steht. Der Knast ist als Teil eines System des Disziplinierens mittels Strafe zu verstehen auf dem sich unsere Gesellschaft aufbaut. Er ist Ausdruck der Herrschaftsverhältnisse in denen wir leben. Disziplinierung und Selbstdisziplinierung, durch Angst vor Strafe, hältuns in den normierten Bahnen der Verwertung fest. Von den Fabriken, Schulen undUniversitäten bis zu den Krankenhäusern, alle produzieren. Die einen Waren, die anderen Wissen, die nächsten Gesundheit bzw. Krankheit. Hierbei sind , wie bereitserwähnt, Architektur und Über- wachung eng mit Autorität und Strafe verknüpft. Ein Blick über den eigenen Tellerrand, z.B. in die Organisationsstruktur von sog. Sweat Shops, genügt. Die Zeit der prügelnden Arbeitsaufseher_Innen, die durch die Raumaufteilung der Produktionshallen jeder Zeit den Überblick über die Arbeiter_Innen haben, ist hier nicht vorbei. Sweat Shops sind ein fester Bestandteil globaler Kapitalanhäufung. Bedingt durch menschengemachte Armut und Landflucht hat sich diese Form der Produktion vor allem im globalen Süden ausgebreitet. Ähnlichen „unfrei“ und überwacht wie in Haft- anstalten, werden die Menschen hier unter unwürdigen Bedingungen und für Hungerlöhne ausgebeutet, gedemütigt und misshandelt. Aber auch in westlichen Ländern gibt es für Fehlverhalten innerhalb der Produktion ein breite, wenn auch struktureller gehaltene, Palette an Sanktionen. Meist erstrecken sich diese über z.B. Mahnungen, Verweise, Streichung von Sozialleistungen, Kündigungen und Rausschmissen. Innerhalb bestimmter sozialer Schicht können diese aber schnell einen weiteren sozialen Abstieg bedeuten. Sie bringen damit eine Spirale in Gang, die die Kluft zwischen arm und reich, privilegiert und unprivilegiert weiter vergrößert. Ein Rückkopplungseffekt ist der Anstieg sog. Kriminalität. Das System schafft sich sozusagen selbst Anlässe für den weiteren Aus- bau von Sicherheit und Kontrolle. Dies ist eine Art von Machtentfaltungs- strategie, welche weniger von bestimmten Personen, als vielmehr von systemischen Eigenheiten hervorgerufen wird. Die Freude an der freiwilligen Selbstauskunft, besonders der privilegierte- ren Schichten, via „Web 2.0“ ist eine erschreckende Tendenz der frei- willigenÜberwachung. Die europäischen Sicherheitsbehörden haben dies erkannt und wollen die sog. Social Networks, im Rahmen des Stockholm- programms, für die vorausschauende Kriminalistik nutzen. Auch durch die Gemengelage Terrorismusbekämpfung und Klimawandel wird bei vielen Menschen der Hang zur Selbstkontrolle und die Forderungen nach mehr Überwachung, Normen und Gesetzen deutlich. Im Windschatten dieser Entwicklungen ist eine präventive Strategie zur Aufstandsbe- kämpfungennicht nur geduldet sondern auch erwünscht. Konzepte wie „Managing Crowds“ sollen helfen, künftig zu erwartende Unruhen mög- lichst im Keim zu ersticken. Selbst die NATO hält die innere Sicherheit und Befriedung für den Schlüssel zu einer „erfolgreichen Intervention“ außerhalb der Mitgliedsstaaten. Die Zustände „Drinnen“ sind nur die Zuspitzung der Tendenzen „Draußen“. Die Realitäten der „zwei Welten“ innerhalb und außerhalb der Mauern ähneln sich zunehmend. Ein Anstieg der Überwachung, der Armut, des Leistungs- und Anpassungsdrucks ist deutlich spürbar und allgegen- wärtig. Die bürgerliche Strafgesellschaft richtet sich, gerade in Zeiten der weltweiten „Mehrfachkrisen“ gegen Unterschichten, illegalisierte Menschen und soziale Bewegungen. Die Zahl der sog. "Sozialen Häftlinge" steigt von Tag zu Tag. Die europäische Sicherheits- architektur wird immer weiter ausgebaut. Und fern ab von der Öffentlichkeit schmoren Menschen in Abschiebeknästen. Die Gefängnisgesellschaft ist Realität.

Nieder mit allen Knästen weltweit! Für freie Kommunikation, Bewegungsfreiheit und ein konfliktfähiges Miteinander! Für die Überwindung der Knastgesellschaft!

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