„Ein
Jahr Gefangengewerkschaft - eine Zwischenbilanz“ ,
so die Einladung der Kölner
Solidaritätsgruppe. Oliver Rast (Mitbegründer) aus Berlin
berichtete, was sich getan hatte.
Etwa 20 Personen fanden sich an diesem
Freitagabend im Juni im SSK- Salierring ein, um zu hören, was da so
los ist bei der GG/BO, und warum es sie überhaupt gibt.
Ein breites Spektrum fand sich ein! Aus
Teilen der Kölner sozialen und politischen Bewegungen,
Basisgewerkschaft und Verdi, ein Vertreter der Piraten neben einer
Vertreterin einer staatlich geförderten Straffälligenhilfe. Eine
heterogene Ansammlung von Interessierten. Was grundsätzlich positiv
ist.
Vielfalt versus Einheitsbrei!
Aus dem Vortrag, den O.R. hielt, lassen
sich folgende Ziele, Erfolge, Absichten und Hindernisse der GG/BO
erkennen:
Die Ziele:
- Eine Gefangengewerkschaft muss sein, weil prekäre Arbeitsverhältnisse auch hinter Gittern an der Tagesordnung sind - u.a. Akkordarbeit.
- In der Startphase wurde zunächst die Einbeziehung in die Rentenversicherung gefordert, mittlerweile steht die gesamte Einbeziehung in die Sozialversicherung auf der Agenda. Sinnvoll, richtig und wichtig!
- Mindestlohn auch für inhaftierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Da keine konkreten Ausschlusskriterien vom Gesetzgeber gegeben sind, setzt die GG/BO hier an.
- Ein weiteres Ziel ist es, die volle Gewerkschaftsfreiheit auch hinter Gittern zu erreichen.
- Versammlungsfreiheit innerhalb der Knastmauern, auch mit Unterstützerinnen und Unterstützern von außen.
Was wurde bisher erreicht? Ein hoher Organisationsgrad !
- In 45 Knästen sind derzeit ca. 600 Personen bei der GG/BO gemeldet, wobei der Anteil der Frauen wächst, ebenso die Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen.
- Ein breites mediales Interesse an der Thematik“ Arbeit hinter Gittern“.
Was ist derzeit konkret
in Arbeit ?
Beabsichtigt ist es, in naher Zukunft
einen Aktionstag zur Billiglöhnerei im Knast durchzuführen. Derzeit
wird von der GG/BO hierzu eine Mitgliederbefragung durchgeführt, die
Auskunft liefern soll, wer produzieren lässt (neben den Anstalten
selbst, den Ministerien, Ford und Miele). Wie schaut es mit dem
Arbeitsschutz aus?
Wird die Arbeit der
GG/BO von Seiten der JVA-Leitungen behindert?
Ja! Zellenrazzien, Unterschlagung der
GG/BO-Post an ihre Mitglieder, schlechte Stimmungsmache gegen die
GG/BO gegenüber Nichtmitgliedern. Aber die GG/BO wehrt sich! Es
laufen Verfahren gegen die rechtswidrigen Attacken der JVAs, die
selbige gegenüber Gewerkschaftsmitgliedern flächendeckend
anzettelt.
Welche Absichten
verfolgt die GG/ BO, was ist O.R. besonders wichtig?
Zunächst mit kleinen Schritten
anfangen, dann weitere Ziele entwickeln. Gemeinsam entwickeln, nicht
vorschreiben, dies hat bei den Gründern der GG/BO Bedeutung. Die
GG/BO ist für viele Inhaftierte greifbar, eben wegen der
Kampfbaustelle ARBEIT HINTER GITTERN. Davon ist die Mehrheit
betroffen. Aus seiner eigenen politischen Biographie weiß er,dass
radikale Forderungen oftmals in Sackgassen enden. Daher scheint -
gemessen an der derzeitigen Situation der GG/BO und der kritischen
Bewegungen allgemein - pragmatisches Vorgehen realistisch zu sein.
Dennoch: Solidarität, Emanzipation und
Autonomie sollen auch hinter Knastmauern erkämpft werden, spürbar
und lebendig sein.
Ein hochgestecktes Ziel, was schon
außerhalb eines Knastes - besonders in der heutigen Zeit - schwer
erreichbar ist.
Daher ist eine breite Basis von außen
wichtig, um der Knastgewerkschaft Raum zur Handlungsfähigkeit und
zur Entfaltung zu geben.
Wie wurde die
Berichterstattung aufgenommen, wie verlief die Diskussion?
Zügig konnte O.R. seinen Beitrag nicht
durchziehen. Schon bald gab es Einwürfe.
So mischten sich sein Vortrag mit
Fragen aus dem Kreis der Anwesenden und Diskussionsbeiträgen
Bisweilen anregend, streckenweise
nervig.
Um es vorweg zu nehmen: Es gab positive
Stimmen. Aber auch Kritisches blieb zurück, was leider nicht mehr
diskutiert wurde, weil O.R. recht abrupt das Ende der Veranstaltung
einläutete.
Nun, die Option ohne O.R. weiter zu
diskutieren war gegeben. Wurde aber nicht genutzt!
Fragen, Feststellungen
und Forderungen des Abends:
Wie ist das mit der Bezahlung?
Verdeutlicht wurde
von O.R:, dass es sich bei der Knastarbeit um vollwertige Arbeit
handelt und nicht um eine Form der Beschäftigungstherapie. Ein
Taschengeld von maximal 15 Euro täglich, damit schlicht
unakzeptabel ist.
Die soziale
Komponente der Arbeit im Knast wurde ebenfalls angesprochen, als
Mittel der Abwechselung und wegen des Kontakts zu anderen. Nicht
unerheblich! Ein Diskussionsteilnehmer wusste, wie wichtig dies ist:
Er hatte an dem Projekt „Mauerfall“ mitgearbeitet, kennt die
Geschichten der Inhaftierten.
Es wurde auch
gefragt, wie es mit der Privatisierung von JVA's ausschaut. Dazu
konnte O.R. anmerken: Ja, die Entwicklung sei erkennbar, aber er
könne noch keine eindeutige Aussage treffen, wie die Auswirkungen
drinnen sind.
„Warum ist ein
Ex-Gefangener Sprecher der gesamten Organisation?“, so eine
weitere Frage.
„Weil es unter
den gegeben Umständen praktikabel ist und die GG/BO auch Mitglieder
draußen hat“, so die Antwort. Als Verbindungsglied, als Sprachrohr
zu verstehen, nicht als „Führer“der GG/BO.
Trotz der
grundsätzlichen Kritik an Hartz IV wurde genau diese
„Leistung“ von einem Anwesenden gefordert. Denn auch hinter
Gittern gibt es nicht für alle Arbeit – Arbeitspflicht hin und
her! Daher die Forderung. Würde sich dies, neben den andere
Forderungen, durchsetzen, wären die Konsequenzen: freie Arztwahl, da
krankenversichert, Ausfallzeiten bei der Rente würden angerechnet,
Geld für den persönlichen Bedarf wäre da. Vermutlich
Zukunftsmusik, aber durchaus diskussionswürdig!
Das Konzept
Gewerkschaft wurde von einem Anwesenden grundsätzlich in Frage
gestellt, da es als falscher Ansatz von Widerstand angesehen wird,
eben zu reformistisch sei.
Dies waren die
Kernpunkte, an denen sich die Diskussion bisweilen lebendig und
kontrovers rieb.
Dann gab es aber
auch Diskussionsbeiträge, die den Charakter hatten - knapp daneben,
ist auch vorbei! Schade eigentlich! Aber ich, als eine aus der Kölner
Unterstützungsgruppe, hatte mir eine anregende Diskussion gewünscht.
Da muss ich halt auch dies akzeptieren, oder es halt stoppen. War
halt insofern lästig, da es ein Zeitfresser war.
Was an dem Abend auf
der Strecke blieb
Wie ist das mit
dem Mitgliederstatus? Gibt es die Vollmitgliedschaft ausschließlich
für die Inhaftierten?Wie sieht die Mitgliedschaft für Ehemalige
aus?
Ist eine
Fördermitgliedschaft für die Unterstützer und Unterstützerinnen
von außen sinnvoll?
Wie viel darf aus
dem Kreis der Unterstützerinnen und Unterstützer eingewirkt werden?
Besteht die
Gefahr, dass störende Kräfte von außen auf die GG/BO Einfluss
nehmen?
Auch in der Kölner
Gruppe sind Fragen offen, Kritik und Bedenken bestehen: Wie viel
Zentralismus steckt in der GG/BO? Ein autoritärer Stil scheint für
einige erkennbar zu sein. Der Umgang mit den Massenmedien – zu
populistisch? Mangelnde Transparenz! So einige Bedenken. Mehrmals die
Kritik „zu reformistisch, zu liberal“! Punkte, die nicht von
allen in der Kölner Gruppe so gesehen werden, aber diskutiert werden
sollten und müssen - auch mit der GG/BO.
Mein persönliches Fazit:
Ich neige zu
vorsichtigem Optimismus, was die Zukunft der GG/BO angeht. Ich kann
die Vorwürfe nicht so richtig teilen.
Führungsanspruch
und mangelnde Transparenz?
Ich sehe die
begrenzten Handlungsmöglichkeiten der GG/BO. Hier ist nun mal der
Aktionsrahmen begrenzt. Nach Feierabend mal eben ins Bezirksbüro der
jeweiligen Gewerkschaft? Is nicht! Mal eben unter den GG/BOlern eine
Versammlung einberufen? Zur Zeit wohl noch nicht greifbar! Realität
ist: Zensur und Zellenrazzien !
Populistischer
Umgang mit den Massenmedien? Damit ist doch die Grauzone ,Arbeitswelt
hinter Gittern' in die Öffentlichkeit getragen worden, findet
Beachtung, auch jenseits von dumpfen Stammtischparolen. Richtig,
wichtig und gut!
Ich teile auch die
Strategie, mit einem großen Bündnis von Unterstützerinnen und
Unterstützern zusammen zu arbeiten. Solange Schnittmengen und Ziele
vereinbar sind.
Diesen
Pragmatismus gönne ich mir, ohne mich dabei verbiegen zu müssen!
Ich habe auch persönlich die Erfahrung gemacht, wie unproduktiv
linke Sackgassenpolitik sein kann. Eine Politik, die sich oftmals nur
in einem elitären Ghetto abspielt. Ein elitäres Ghetto, in dem die
Selbstbeweihräucherung wunderbar blüht und gedeiht, ebenso das
Selbstmitleid und das Märtyrertum. Wie borniert! Raus aus dem
Ghetto! So mein Mottto trotz Differenzen, da sein mögen/sind. Ohne
Bündnispartner von außen sehe ich für die GG/BO erhebliche,
zusätzliche und überflüssige Schwierigkeiten. Gewerkschaftsarbeit
ist draußen schon schwierig (Gewerkschaftsfeindlichkeit,
Arbeitsunrecht u.ä. ), aber hinter Knastmauern gibt ’s halt noch
ein Schäufelchen oben drauf. Schikanen und Willkür hinter Gittern
und einiges mehr. Die GG/BO hat auch weiterhin meine Unterstützung
.
Eine
Gewerkschaftsversammlung - bald auch im Knast! Mit Unterstützerinnen
und Unterstützern von außen? Na, schauen wir mal...
Wie hat O.R. die Veranstaltung
gefunden?
Er war wohl ganz
zufrieden ! Nun, da kannte er auch noch nicht die Kritikpunkte!
Schätze aber, er weiß die Kritik zu nehmen.
M.P.
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